Zeitungsbericht in der Nürtinger Zeitung vom 01. Juni 2011
NÜRTINGEN.
Die Ausstellung „Sakrale Werke von K. H. Türk“ ging am Sonntag im Forum Ilse und K. H. Türk in der Sigmaringer Straße mit einer beeindruckenden Finissage zu Ende. Die Matinee vermittelte eine Vorstellung von Türks Gesamtwerk und schöpferischer Lebensleistung. Eine Leistung, über die unsere schnelllebige Zeit ohne weiteres hinweggehen kann. Darüber hinaus verdeutlichte die Veranstaltung an Einzelbeispielen die einmalige Präzision seines künstlerischen Gestaltens.
Das von Els Junginger verfasste Versepos „K. H. Türk und sein Engel“ entpuppte sich als ein teils in goethischen Sprachhöhen sich bewegender, teils auch in ironischer Weise die Alltagssprache streifender Dialog zwischen dem eher resignierten und zweifelnden Künstler und der Stimme eines ihn inspirierenden, anspornenden „Engels“. Auf diese Weise wurden die zahlreichen Zuhörer wie im Flug zu den verschiedenen Wirkungsorten von K. H. Türk mitgenommen.
Die Lebensreise führte nach London, Braunschweig, Wolfenbüttel, Stuttgart. Schließlich nach Nürtingen. Die Stimmungen der Sprachbilder wechselten, von Albrecht Leuteritz (in der Rolle des Skulpturen schaffenden Künstlers) und der Verfasserin (in der Rolle des Engels als „zweites Ich“) mit Verve und großem Sprachgefühl dargestellt. Zu hohem Anspruch, durchaus an Goethes Faust erinnernd, gesellten sich guter Rat, Heiterkeit und eine gute Portion Humor. Eine Mischung, die dem so Porträtierten sicherlich gerecht wurde.
Die Betrachtung verschiedener Lebensstationen wurde durch dezente Musikeinspielungen (Technik: Stephan Linke) gegliedert. So besuchte man Orte, an denen Werke von Türk weiterleben: etwa die Frauenkirche in Duisburg, das Gymnasium Grafenau, den Brunnen in Oullins. Nürtingen als Zielort, als Ort für große Produktivität. Aber auch als Ort, an dem die plastische Arbeit des Bildhauers vom Skulpturen-material auf die Menschen in Bildungseinrichtungen überging, wo also eine soziale Plastik im Sinne von Beuys entstand. Auch das nahm den angemessenen Raum in dieser ungewöhnlichen Hommage ein. Die szenische Vorführung wurde mit warmem Beifall aufgenommen, und in der Kaffeepause entwickelten sich angeregte und nachdenkliche Gespräche.
Im weiteren Teil der Finissage hatte Pfarrer Martin Fuchs das Wort. Als Religionslehrer in Bad Cannstatt war er langjähriger Freund des Ehepaars Türk, war Gesprächspartner bei manchmal tiefgründigen religiösen Diskussionen und war Zeuge, wie einige der ausgestellten sakralen Werke entstanden. Als wirklicher Kenner der Materie führte er in handwerkliche und theologische Feinheiten der von Türk geschaffenen Kreuzwegtafeln und einer Kruzifixfigur ein. Er zeigte, wie Türk die sakrale Kunst zum Experimentieren benutzte. Wie er mit jedem Objekt neue Wege der Bildfindung suchte.
Fuchs öffnete den Forum-Besuchern die Augen für Türks Umgang mit dem jeweiligen Ausgangsmaterial. Etwa bei der zentral postierten Holztafel, die aus fünf mächtigen Eichenbohlen zusammengefügt war. Welche Kraft für das Herausschnitzen der individuell gewählten Passions-Motive nötig war. Wie Türk an der Bronzefigur des Gekreuzigten mit gewaltvollem Feilen Aspekte des konkreten Leidens einbrachte. Wie er auf den Kupferplatten eines Kreuzwegfrieses durch fein geätzte Linien eine Wirkung kühler, archaischer Abstraktion erreichte.
Unvergesslich für jeden, der genau hinschaute: die leere Grabkammer von innen, rechts drei Menschenprofile, links zwei Engelprofile, von denen ausgehend eine Hand, die auf die offene Tür weist, auf den Übergang in eine andere Welt. Ein Schlussbild, das zu Türks Werk, Leben und Tod passt. Mit minimalistischer Artistik verwirklicht. VON ECKHARD FINCKH
Els Junginger und Albrecht Leuteritz bei der Lesung von „K. H. Türk und sein Engel“. Foto: Sackmann