Bericht in der Nürtinger Zeitung am 02. März 2011

Lichte Farbschleier und ironische Spiele

Sehenswerte Doppelausstellung im Forum Ilse und K. H. Türk
mit Christiane Grimm und Maria Garcia Rubio


Das Forum Türk in der Sigmaringer Straße überraschte in der ersten Ausstellungseröffnung dieses Jahres am Sonntag mit zwei Künstlerinnen, die zwar beide in ihrem Werdegang von der Freien Kunstschule Stuttgart profitierten, deren Bilder aber in großem Kontrast zueinander stehen. Der Titel der Ausstellung „Farbwelten – abstrakt und gegenständlich“ versucht dieser Tatsache bereits gerecht zu werden.
Christiane Grimm (links) und Maria Garcia Rubio vor ihren Werken Foto: Sackmann

Christiane Grimm (links) und Maria Garcia Rubio vor ihren Werken

Foto: Sackmann

Während Christiane Grimm in ihren Ölbildern und Glasobjekten subtile Farbübergänge und Auflösung von Grenzen sucht, lässt sich Maria Garcia Rubio von figürlichen Vorstellungen und kräftiger Farbgebung leiten. Dennoch brachte es Professor Dr. Albrecht Leuteritz in seiner Einführung fertig, die Bildwelten aufeinander zu beziehen. Er nahm dazu den Begriff der „Romantik“ zu Hilfe.

Christiane Grimms Beschäftigung mit Lichtwirkungen der Farbe, ihre fast monochromen Flächen ohne feste Konturen, ihre diffusen Übergänge, laden zum Meditieren ein, streben über Grenzen hinaus, suchen die Unendlichkeit. Die romantische Sehweise der Entgrenzung überträgt sich vom Bild auf den Betrachter, der geradezu in die Bilder hineingezogen wird.

Leuteritz sah in diesen Bildern sogar religiöse Qualitäten, indem sie eine pantheistische Weltsicht verkörpern. Schaut man auf die Titel, so werden darin die Natur mit ihren Jahreszeiten und Licht-Erscheinungen beschworen („Sonnenseite“, „Springtime“, „Wie ein Komet“, „Rosarot und Himmelblau“).







Die transparenten Glasobjekte von Christiane Grimm machen durch ihre klaren, rechtwinkligen Konstruktionen zunächst einen völlig anderen Eindruck als ihre Gemälde. Sie verraten auch, dass die Künstlerin von der Architektur her kommt, wo aus verschiedenen Glassorten manchmal Modelle gebaut werden. Aber mit den Lichtbrechungen, den an ein Farbspektrum erinnernden Längsstreifen, den optischen Täuschungen gleichen ihre Objekte kostbaren und rätselhaften Kristallen. Und damit öffnet sich auch hier das Tor zu romantischen Assoziationen.


Wenn der Ausstellungsbesucher dann inmitten der sensiblen Werke von Christiane Grimm plötzlich vor einem bunt bemalten Ledersofa mit dem Titel „Carpe Diem“ steht, fragt er sich natürlich, ob dieser Spaß etwas mit Romantik zu tun hat. In der Einführung gab es jedoch den entscheidenden Hinweis. Zur Romantik gehört auch deren Brechung in der Ironie. Das Bewusstsein sucht einen Ausgleich zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen.


Mit diesem philosophischen Ansatz kommt der Besucher den mit Acrylfarben gemalten Werken von Maria Garcia Rubio bestens bei. Fröhliche Farbpunkte repräsentieren Menschen, wenn die Künstlerin abstrakte Begriffe wie „Vernetzt“ oder „Kettenreaktion“ bildlich umsetzt. Ein Triptychon mit weiblichen Aktbildern heißt „Heike mit Leopold“: die zwei Namen geben erst einen Sinn, wenn der Betrachter bemerkt, dass er Ansichten einer Schwangeren vor sich hat. Das in Grau gehaltene Bild „Mann o Mann“ reflektiert augenzwinkernd über zwei Männer, die am Pool stehen. Witzige Bewegungsstudien sind in den kleinformatigen Teilen der „Frauencollage“ versammelt. Eine „Himmelsleiter“ in extremem Hochformat erscheint wenig tragfähig.

Solche Beispiele zeigen, dass die bildnerische Phantasie von Maria Garcia Rubio stets doppelten Boden hat, dass der Betrachter das Seinige dazutun muss, um die meist verspielten Bilder zu entschlüsseln. Insgesamt haben die Ausstellungsmacher des Forums Ilse und K. H. Türk eine sehenswerte Schau zusammengestellt mit Werken von zwei Künstlerinnen, die sich stark unterscheiden und sich doch ergänzen.

VON ECKHARD FINCKH