Bericht der Nürtinger Zeitung vom 12. Februar 2013, Von Heinz Böhler
Die Ausstellungseröffnung im Forum Türk erfreute sich eines guten Besuchs. Foto: heb
In „intuitiver Versenkung“ der eine, mit „ästhetischem Kalkül“ der andere – so sah Professor Dr. Albrecht Leuteritz die beiden Künstler, die gemeinsam die neue Ausstellung des Forums Ilse und K.H. Türk bestreiten. Bilder in mal leuchtenden, mal eher erdig wirkenden Farben zeigt Nicola Silvano bis zum 17. März in der Galerie des Forums, während in Wolfgang Kretzlers skulpturalen Arbeiten Menschen und Bäume zu rätselhaften Mischwesen verschmelzen. Den musikalischen Rahmen steckte der Schauspieler, Gitarrist und Sänger Frank Stöckle. Grüße der Stadt überbrachte Bürgermeisterin Claudia Grau.
Der in Italien gebürtige Maler Nicola Silvano hat von 1994 bis 1998 am Kunstseminar Metzingen studiert und ist heute als freischaffender Künstler in Stuttgart tätig, während sein Bildhauerkollege Wolfgang Kretzler, 1956 in Esslingen geboren, von 2003 bis 2006 ein Studium an der Kunstakademie Esslingen absolvierte und heute als Künstler, Dozent und Maltherapeut arbeitet. Die Einführung in die Ausstellung hatte Professor Dr. Albrecht Leuteritz übernommen.
Nach der Begrüßung der wie immer recht zahlreichen Besucher der Vernissage durch die Vorsitzende des Trägervereins „Forum Türk“, Els Junginger, bat Bürgermeisterin Grau auch um Unterstützung für ihre Pläne, am linken Neckarufer ein Kulturzentrum zu etablieren.
Damit dürfte sie in der Sigmaringer Straße 14 durchaus auf offene Ohren gestoßen sein, geht es doch, wie Els Junginger bemerkt hatte, um nichts Geringeres als den „Erhalt des großen Werkes unseres Spiritus Rector Karl Heinz Türk“.
„Archaische Bildzeichen und Abstraktionen“ lautet der Titel der Ausstellung, die am Sonntagvormittag eröffnet wurde, und es genügt ein Blick, um zu erkennen wessen Arbeiten welches der genannten Attribute zuzuordnen sind. Nicola Silvanos Malerei lässt spontan an in Stein geritzte „Beschreibungen“ bedeutsamer Ereignisse denken. Steinzeichnungen australischer Aborigines oder afrikanisch-europäischer Steinzeitkulturen lassen grüßen, ab und an ein einfaches Rebus. Skandinavischen Kultbildern vergleichbar, sieht Professor Leuteritz in dem auf der Einladungskarte abgebildeten Werk „Fackeln in der Nacht“ Tierleiber und „ein schiffsähnliches Gebilde“, „geheimnisvolle Zeichen und Embleme“ dazu.
Da Nicola Silvano diese Ritzzeichnungen jedoch gar nicht kenne, plädierte Leuteritz dafür, die Deutung dieser Bilder mit C. G. Jung „tiefer anzusetzen“. Sein Fazit geht in Richtung des aus der von Jung geprägten Tiefenpsychologie bekannten Ursprungs in einer Art kollektiven Erinnerung des ganzen Menschengeschlechtes, des „kollektiv Unbewussten“.
„Wenn wir Menschen Bäume wären, gingen wir so mit uns um?“, lautet die Frage, die hinter dem gestalterischen und (natur-)philosophischen Ansatz von Wolfgang Kretzler steht. „Der Mensch kann ohne den Baum nicht leben, fügt ihm jedoch ständig Leid bis hin zum Tod der Kreatur zu“, kommentiert Leuteritz die Herangehensweise des 56-jährigen Esslingers an sein Thema „Baummenschen“. Das Bedürfnis von Mensch wie Baum nach Luft, Licht und Wasser, das verhältnismäßig langsame Wachstum beider und die allmähliche Reifung bilden Gemeinsamkeiten, die Kretzler dazu bewogen, Mischwesen aus Holz, Ton, Gips und Patina fest in der Erde zu verwurzeln: „Sie sind auf Gedeih und Verderb an einen Ort gefesselt“, erläuterte Leuteritz.
Übermannshoch stehen solche baumlangen Hünen in der Ausstellung, gesichtslos zwar, dafür um so beredter in der Hinwendung an die Spuren ihres stummen Dialogs mit Vergangenheit und Zukunft: „Beide tragen die Narben ihres Lebens wie ein Gedächtnis.“