Bericht der Nürtinger Zeitung vom 16. April 2013, von Heinz Böhler
Ein Tanz auf dem Ei und weibliche Tagtraumreisen: Für eine Ausstellung unter dem Titel „Fragile Seelenbilder und gehauener Stein“ hat das Kuratorium der Galerie des Forums Türk in der Sigmaringer Straße für die nächsten sechs Wochen seine Räumlichkeiten reserviert. Bis zum 26. Mai sind dort Malerei von Ulrike Jacobi sowie Skulpturen und Plastiken der Kirchheimer Bildhauerin Monika Majer zu sehen. Zur Vernissage begrüßte am Sonntagvormittag die Vorsitzende des Vereins Forum Türk, Els Junginger, die Einführungsansprachen hielten Dr. Heinrich Dosedla und Martin R. Handschuh. Den musikalischen Rahmen gestaltete der Pianist Clemens Wittel.
Kunst aus Stein von Monika Majer, Foto: heb
Es beiße einer auf Granit, heißt es, wenn Widerstände als unüberwindlich dargestellt werden sollen. Der Mensch fand Mittel und Wege, diese zu überwinden, auch wenn er dafür sinnvollerweise nicht auf die körpereigenen Schneidwerke setzen sollte. Hammer und Meisel, Korund und Diamant erledigen in wenigen Wochen, wofür die Natur und ihr Schneidemittel Wasser Jahrmillionen brauchen.
Folgt man Martin R. Handschuhs Ausführungen, ist sich die gelernte Steinmetzin Monika Majer, Bundesbeste des Abschlussjahrganges 1995, dieser Zusammenhänge wohl bewusst und respektiert jeden zur Bearbeitung herangezogenen Stein als Teil eines ursprünglich Ganzen. Doch, worauf schon Els Junginger in ihrer kurzen Vorstellung der Künstler hingewiesen hatte: Monika Majer beschränkt ihre bildhauerische Tätigkeit keineswegs auf das Behauen mehr oder weniger harten Gesteins.
Auch Gips, Jute, Schellack, Draht, Peddigrohr und Kunststoff finden Verwendung, wenn es denn der gestellten Aufgabe dient. Selbst Bienenwachs nutzt sie und freue sich, so Handschuh, an der
leichten Formbarkeit dieses Naturstoffes, der schon bei der durch des Formenden Hände übertragenen Körpertemperatur zu schmelzen beginnt. Womit ein weiteres Sprichwort verdient, ins Gedächtnis
gerufen zu werden: Jemand sei wie Wachs in eines anderen Händen, spricht der Volksmund, wenn der Widerstand gegen äußere Einflüsse denkbar gering ausfällt.
Krasse Gegensätze also schon in den Arbeiten der einen von zwei ausstellenden Künstlerinnen, die als Mensch mittelnd zwischen beiden tätig ist. Wie wir in die heiße Suppe blasen, um sie auf eine erträgliche Temperatur herabzukühlen, und mit demselben Mund Luft aus derselben Lunge auf die frierenden Hände hauchen, um sie zu erwärmen.
Ebenso bunt wie rätselhaft sind Ulrike Jacobis Bilder, Foto: heb
„Tagtraumreisen und Nachtmeerfahrten“ assoziiert der Sozialanthropologe Dr. Heinrich Dosedla angesichts der Bilder von Ulrike Jacobi, die in Sindelfingen als Kunstpädagogin tätig ist. Jacobi hat im Zuge ihrer künstlerischen Selbstfindung zu einem eigenen, aber auch eigenartigen Stil gefunden. Ihre Bilder verbinden die Mythen und Ornamentik alter Gesellschaften mit der Farbigkeit der Popkultur.
Sie verzichte, ist in einem Exposé zu lesen, „bewusst auf eine ausgefeilte Technik im akademischen Sinne. Jacobis Anliegen ist es“, wie es dort weiter heißt, „zu der Unversehrtheit, Ursprünglichkeit und Direktheit der Kinderzeichnung zurückzufinden, dabei jedoch auch das Wissen der akademisch ausgebildeten Künstlerin einfließen zu lassen.“
Was bleibt, ist bildgewordene Poesie, die vielleicht schon wieder unter dem überbordenden Detailreichtum zu leiden beginnt. Zumal am ersten wirklichen Frühlingssonntag des Jahres mag man sich nicht mit anstrengenden Dechiffrieraufgaben belasten, wenn der Duft eines frisch gebrühten Espresso seine eigentümliche Sinnlichkeit verströmt.